WAS IST EBRU?
Ebru Kunst – Das türkische Papier
Murat Özdemir | 16. November 2011
Akkase Ebru von Alpaslan Baboglu - Kalligraphie von Osman Özcay, 2004
Video: https://av.tib.eu/media/23284
Als Ebru wird die Kunst des Marmorierens bzw. des Malens auf dem Wasser bezeichnet. Sie gilt als eine der prägenden Künste im goldenen Zeitalter des osmanischen Reichs. Dabei werden in einer dafür vorgesehenen Wanne (“tekne”) verschiedene Farbmischungen auf Leimwasser (“kitre”) aufgetragen und mit Spezialpinseln, die aus Rosenholz und Pferdehaar bestehen, in Ornamente, Kalligraphien, Blüten oder Muster verzogen.
Auf das gemalte Bild wird ein Papierbogen aufgedrückt, bis die Farbe angenommen wird. Das fertige Bild wird abschließend getrocknet und geglättet. Zu welchem Zeitpunkt die Ebru Kunst zustande kam ist heute weitestgehend unbekannt. Das früheste von Historikern als authentisch eingestufte Exemplar wird auf das Jahr 1519 datiert. Es wird allerdings vermutet, dass sich in diesem Stadium die Entwicklung der türkischen Ebru bereits an ihrem Höhepunkt befand, so dass eine Rückdatierung auf das 8. bzw. 9. Jahrhundert angenommen werden kann.
Der Begriff “ebri” bedeutet im persischen sinngemäß “Himmelsfarbe”. Infolgedessen bezeichnete man Ebru Künstler bis zum 20. Jahrhundert als “ebrizen”. Einige Altmeister sind der Auffassung, dass der Ursprung des Begriffs von “abru” abgeleitet wurde, was soviel bedeutet wie “Wasseroberfläche”. Im historischen Traktat “Tertib-i Risale-i Ebri” aus dem Jahr 1608 wird allerdings diese Annahme weitestgehend zerstreut. Im Westen wird Ebru als “Türkisches Papier” bzw. “Türkisches Marmorpapier” betitelt, im arabischen Raum dagegen als “varaku’l-mücezza” (adriges Papier). Einige Historiker sind der Ansicht, dass der Ursprung der Ebru auf das zentralasiatischen Gebiet Turkestan zurückzuführen sind. Türkische Altmeister präzisieren das Gebiet auf das ehemalige Zentrum des Islams Buchara im heutigen Usbekistan.
Negative Folgen für die Popularität der Ebru Kunst hatten die verlorenen Kriege während der Niedergangsphase des Großreichs und die damit verbundenen wirtschaftlichen sowie kulturellen Eingeständnisse an die Siegermächte – während der Regierungszeit Sultans Fatih Mehmet II. Im 15. Jahrhundert waren noch 500 Künstler im Palast tätig; zum Ende des osmanischen Reiches nur noch 40. In dieser Phase hat sich die Ebru Malerei in europäischen Ländern wie Frankreich, Spanien oder Italien verbreitet und die als “Türkisches Papier” bekannte Ebru Kunst wurde in das europäische Kulturgut adaptiert.
Die Ebru Malerei ist eine schwer zu erlernende, komplexe Kunstform und verlangt Erfahrung und Geduld. Beherrscht man sie, so heisst es, kann sich der Künstler, ähnlich dem Trancetanz der Derwische, in eine Art religiöse Ekstase malen und erreicht somit eine perfekte Symbiose aus Frieden und Seelenheil. Klassische Ebru Künstler treten jedem Bild mit äußerster Ehrfurcht gegenüber und bereiten sich mit islamischen Ritualen und Gebeten vor:
Im Namen Allah’s, dem Allmächtigen und Allwissenden! In deiner unendlichen Bestimmungskraft, mit deinem in den Mustern der Schöpfung verstecktem Segen, schütze diesen Nicht-wissenden, der nicht einmal in der Lage ist die in dieser Wanne entstehenden Muster zu interpretieren, vor seinem eigenen Egoismus! Beschütze mich vor meinem Begehren, mich dir gleichstellen zu wollen und an deinem ewigen Dasein zu zweifeln, oh Erhabener! Beschenke die Armen mit der Gabe der Verschwiegenheit! Zeichne meine Arbeit vor der Wanne mit dem Dhikr (Gebetsritual) aus und nehme sie als ein Zeichen meiner Dienerschaft an! Gebe mir die Kraft!